Was hat ein Oldtimer Omnibus mit Controlling und MICE Krisenmanagement zu tun? Im ersten Moment rein gar nichts, aber so Barbara Zimmermann und ich uns irgendwo in Lettland in 2018 kennengelernt. Euer wunderschöner Oldtimerbus ist einfach auffällig! Unsere Wege haben sich auf der Reise immer mal wieder gekreuzt. An Sehenswürdigkeiten ein kurzes Nicken, ein kurzes Hallo. Dann haben sich unsere Wege wieder getrennt. Tatsächlich kennengelernt haben wir uns dann aber auf der Rückfahrt auf der Fähre von Liepaja nach Travemünde. Und da haben wir gleich Synergien entdeckt! Denn wir beide sind systemischer Business Coach! Seitdem tauschen wir uns regelmäßig aus.
Ich freue mich heute Barbara Zimmermann in MICE- Krisenmanagement meets zum Thema Controlling zu begrüßen.
Du bist seit 2002 bei Fresenius Medical Care als Business Partnerin und Controllerin beschäftigt. Zudem hast Du eine systemische Coaching Ausbildung. Wie verbindest Du das systemische Coaching und Controlling?
Lass uns doch einfach mit dem Coaching starten. Meines Erachtens kann man das systemische Coaching in zwei Gruppen unterteilen. Die Menschen der Gruppe A möchten selbst an sich etwas verändern. Ihr Verhalten, ihre Führungskompetenz, sicheren Umgang in Konflikten oder selbstsicheres Auftreten. Es gibt nicht unbedingt ein konkretes Ziel, sondern der Typ A wünscht sich die Hilfe zur Selbsthilfe, er möchte die richtigen Fragen gestellt bekommen und hieraus intervenieren und reagieren lernen.
Der Typ B wünscht sich einen Sparringspartner, der ihn dabei unterstützt, ein Ziel zu erreichen. Er benötigt Tipps und Informationen, natürlich auch einen Zuhörer.
Diese Person hat ein Ziel und verlangt ein ehrliches Feedback, um Selbstsicherheit für seine Entscheidungen zu bekommen. Bei dem Thema Ziele, Planung und Entscheidungen sind wir auch schon sehr nahe bei den Aufgaben des Controllers. Früher war der Controller ein Zahlenlieferant, heute und in der Zukunft wird ein Businesspartner erwartet, der auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung spricht und wie beim Coaching hilft, die „Bremse“ zu lösen. Er liefert Informationen im Rahmen von KPIs, macht Lösungsvorschläge und hilft der Geschäftsleitung, die gesetzten Ziele zu erreichen. Somit gibt es im Coaching immer einen Auftrag oder ein Ziel, das ist im Controlling ebenso. Viele geschäftliche Entscheidungen haben häufig was mit „Politik und Psychologie“ zu tun, – da haben wir erneut Berührungspunkte zum Coaching. Der moderne Controller hat auch eine Faciliator-Funktion , also zu moderieren, die richtigen Fragen zu stellen und letztendlich den gewünschten Erfolg maßgeblich mitzugestalten.
Den Begriff Controlling kenne ich aus der Finanzwelt oder der Betriebswirtschaft. Was ist Controlling und wo kommt es zur Anwendung?
Controlling ist eine Disziplin der Betriebswirtschaft und hilft der Geschäftsleitung und Management, das Unternehmen oder den Geschäftsbereich zu steuern, zu lenken.
Vielleicht kann man einige Controlling Tools auch als „Vorsorge“ sehen. Kenne ich meine Prozesse, meine Kosten, meine ertragreichen Produkte oder eben die verlustbringenden Projekte, dann kann ich als Unternehmer dementsprechend reagieren.
Vorsorge bedeutet eben für mich, auf die Frühwarnindikatoren zu achten, ob die Kosten aus „dem Ruder laufen“, die Mitarbeiter gefrustet sind, sich kaum noch einbringen usw.
Ignoriert man diese (Früh)Warnungen und es kommt zu einer Veränderung am Markt, zum Beispiel ein neuer Konkurrent bietet die gleichen Dienstleistungen an, dann sollte man als Unternehmer seine Zahlen, Prozesse und Deckungsbeiträge kennen.
Man erkennt sehr schnell, dass das Controlling sich nicht nur monatsweise, wie z. B. der Monatsabschluss des Steuerberaters – also kurzfristig operativ – um die Finanzzahlen kümmert, sondern auch langfristig (Zeiträume von 3-10 Jahren) also strategische Aufgaben übernimmt. Deshalb wird das Controlling auch in der Literatur in das strategische und operative Controlling untergliedert. Lass mich Dir diesen Unterschied einfach mal erklären:
Das Controlling kann in das strategische und operative Controlling unterschieden werden. Was bedeutet das?
Es gibt zwar noch mehr Abgrenzungsmöglichkeiten, aber diese beiden sind die bekanntesten. Das strategische Controlling richtet sich, wie das Wort schon sagt, auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens. Wo möchte das Unternehmen in 3-5 Jahren stehen, welche neuen Produkte/ Dienstleistungen sollen dazu kommen, welche erweitert/ gestrichen werden. Wie positioniert sich das UN am Markt, wo steht es im Vergleich zu den Wettbewerbern und was sind die Stärken des UN, warum bietet es genau diese Dienstleistungen an und was ist der Nutzen für den Kunden. Gibt es neue Kunden, oder wie kann man die bestehenden noch „glücklicher machen“. Welche Risiken gibt es am Markt, im Unternehmen, aber auch welche Opportunities sieht die Geschäftsleitung das strategische Controlling dient zur Existenzsicherung des UN.
Im operativen Controlling wird geschaut, ob das UN überhaupt Gewinne erwirtschaftet, wie steht es um die Liquidität, wie viel verdiene ich mit welchem Produkt/ Dienstleistung und was möchte ich in dem kommenden 1-3 Jahren erreichen. Klassisch setzt sich das UN und alle Abteilungen Ziele, analysiert die Abweichungen und leitet Maßnahmen ein, damit das UN wieder auf die Planspur kommt, oder korrigiert die Annahmen in die Zukunft. In der Regel erstellt das UN ein Budget mit allen Teilplänen für 1-3 Jahre. Jedes Unternehmen ist besonders und hat einen anderen Fokus, einmal ist es die Liquidität oder die Entscheidung, ob eine Dienstleistung zugekauft oder selbst erstellt werden soll. Es können auch die Entwicklung neuer Produkte oder die Expansion – Gründung neuer Standorte oder Kooperation mit anderen Unternehmen. Das Aufgabengebiet ist spannend und sehr umfangreich, für mich gehört ein Controlling ab der 1. Stunde der Selbstständigkeit in ein Unternehmen.
Ich finde das spannend, dass es Controlling auch in Bereichen wie Marketing angewendet wird. Kannst Du hier einen Controlling Prozess für Marketing aufzeichnen?
Je nach Unternehmensgröße wird Controlling in jedem Funktionsbereich (HR, Vertrieb, IT, Einkauf usw.) angewendet. Es geht wie bereits oben beschrieben um Ziele, Aktionen und letztendlich die Kontrolle, ob die Maßnahmen erfolgreich waren, die Planwerte erreicht wurden oder was korrektiv getan werden sollte. Im Marketing geht es klassisch um „verkaufsfördernde Maßnahmen“. Also Werbung, die Betreuung der Kunden, die Beobachtung des Marktes usw.
So wird gemessen, ob sich Werbeaktionen gelohnt haben, ob die Kunden die neuen Produkte mögen oder lieber zu Konkurrenz gehen, es werden Kundenbefragungen durchgeführt und neue Vertriebswege, wie zum Beispiel online Beratungen angeboten. Marketing und Vertrieb stehen in regelmäßigen Austausch. Im sogenannten Reporting werden periodisch die selbst definierten Kennzahlen (KPIs) überprüft und die notwendigen Handlungsmassnahmen im Marketingteam erarbeitet.
Das Controlling wendet Werkzeuge vom Krisenmanagement an. Nennt Ihr das im Controlling auch so, oder hat das einen anderen Namen wie Z. B. Prozessüberprüfung.
Bevor es zu einer Krise kommt, gibt es eine Reihe von Frühwarnindikatoren. Hat ein Unternehmen diese auf dem Radar, kann es reagieren, bevor eine Krise eintritt. Größere Unternehmen haben ein eigenes Krisenmanagement. Es werden im Vorfeld Verhaltensregeln der Mitarbeiter bei eintretenden Risiken (z. B. Pandemie) definiert und auch geübt. Es gibt einen Krisenstab, der das Unternehmen sicher durch die Krise steuert.
Aber nicht immer muss eine Pandemie das Unternehmen treffen, es gibt auch unternehmensinterne Frühwarnindikatoren, die eine nahende Krise anzeigen können.
Viele Risiken sind in Unternehmen vorhersehbar, sie entwickeln sich langsam und allmählich.
Nach einer Umfrage des BDU gibt es Frühwarnindikatoren aus den Bereichen Finanzen (z. B. Cash – Flow, Liquidität, Forderungslaufzeit, Umsatzrentabilität, usw.), Unternehmensstrategie (z.B. Wie hoch ist die Abhängigkeit von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Kapitalgebern, wie wird Wissen gesichert und gibt es einen strukturierten Know-how-Transfer, sowie die Entwicklung neuer Produkte), Markt, Umfeld, Branche (z. B. Umsatzwachstum, Zahlungsverhalten der Kunden, Preisstellung im Vergleich zu Wettbewerbern, Kundenstruktur, Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Wertewandel, Klimaschutz)), Leistungswirtschaft (z. B. Akquisition und Auftragsbearbeitung, Auftragseingang, Beschaffungswesen, Personalwirtschaft ( z.B. Krankheitsquote, Fluktuationsquote, Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter, Alters- und Geschlechterstruktur, usw.), IT (z.. Vertraulichkeit (Datenschutz), Verfügbarkeit von IT Systemen, Compliance (Einhaltung rechtlicher Erfordernisse und unternehmensinterner Vorschriften), Sicherheit (Cyber Attack) usw.
Wie sieht ein Frühwarnsystem im Controlling aus? Gibt es da ein bestimmtes Tool, was Ihr zur Überprüfung nutzt? Kannst Du das anhand von Z. B. Marketing Controlling erklären?
Das ist jetzt wirklich schwierig, eine Methode zu nennen. Ich bin ja nicht im Marketing Controlling, sondern in der Produktion. Generell kann man sagen, dass sich die Frühwarnsysteme mit der Zukunft befassen. Im Marketing gibt es die 4 Ps: Product Glace, Price, Promotion – also Kommunikation. Und hier muss das Unternehmen analysieren, ob es über die richtigen Kanäle (Facebook, Rundbrief,…), mit den richtigen Kunden richtig kommuniziert. Welche Preise haben die Wettbewerber, welche Messen sollten wir besuchen, können wir unsere Produkte in online Formaten anbieten, online verkaufen usw. usw. Ein Tool ist vielleicht die Pestel-Methode , mit der habe ich aber noch nie gearbeitet
Gibt es für jede Phase des Controllings ein Frühwarnsystem?
Klar:
Plan Istwerte Abweichungen
Die Abweichungen werden immer analysiert und geklärt, ob die Abweichung „sustainable“ ist oder sich die Auffälligkeit in den nächsten Tagen/ Wochen wieder klären wird oder schon geklärt ist.
Worauf sollte man im Controlling achten, damit das Controlling erfolgreich ist?
Nun, ich denke, dass Controllingsystem sollte zum Unternehmen passen, nicht zu groß, nicht zu klein. Als kleines Unternehmen mit 2 – 5 Mitarbeitern würde ich mit einem „Controlling light“ starten, eben den Fokus auf die Zahlungsfähigkeit richten, die Liquidität und zusehen, dass wenig Abhängigkeiten von Kunden, Lieferanten und auch von Mitarbeitern bestehen.
Beabsichtigt ein Unternehmen zu wachsen, sollte das Controlling mitwachsen, irgendwann gibt es eigene Funktionsbereiche und dann wird auch das Controlling sehr komplex, insbesondere wenn es um die Kalkulation von den Produkten und Dienstleistungen geht. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist es, von Anfang an seine Prozesse zu kennen, zu dokumentieren und beim Einsatz von einem ERP System auf eine hohe Qualität der Stammdaten zu achten. Je besser die Datenbasis, umso besser und genauer sind die Berichte und umso einfacher die Auswertung der Daten. Diese werden nicht nur für die Geschäftsführung, sondern auch von Banken, Investoren oder großen Kunden gefordert.
Gibt es Hilfreiche Mittel, die Du für Problemlösungsprozesse anwendest?
Ein sehr schönes Hilfsmittel ist der Problemlösungsbaum. Mithilfe dieser Methode kann ein Problem oder ein Thema beschrieben werden, die Ursachen liegen in den Wurzeln und die Auswirkungen werden in den Ästen dargestellt. Durch die einfache Beschreibung des Problems, der Ursachen, der Auswirkungen und letztendlich von möglichen Lösungsvorschlägen lassen sich Probleme einfach erklären und es kommt zu schnellen Entscheidungen.
Die Methode reduziert die Diskussionszeit bzgl. der Schuldfrage und ermöglicht fokussiertes Arbeiten.
Was fällt Dir zum Stichwort KPI (Key Performance Indikator) und Controlling ein?
What you can’t measure you can’t manage. Ich glaube dies Aussage von dem großen „Managementdenker“ Peter Drucker, beschreibt die Wichtigkeit von KPI’s.
KPI’s sind Kennzahlen, also Verhältniszahlen und sind ein sehr wichtiges Instrumentarium im Controlling.
Gibt es wertvolle Tipps, die Du den Leser:innen noch mitgeben möchtest?
Für mich gehört Controlling ab der ersten Stunde der Selbstständigkeit in ein Unternehmen. Starten sollte man als Soloselbstständiger, oder Kleinunternehmer mit einem Controlling light. Ich bin der Ansicht, dass man mindestens an einem Tag in der Woche seine Finanzzahlen überprüfen sollte, am besten noch ein bisschen Marketing dazu . Je größer das Unternehmen, umso wichtiger werden die Kennzahlen, die sich natürlich nicht nur auf den Finanzbereich beziehen.
Je nach Geschäftszweck sind es die Verkaufszahlen, die Clicks auf der Webseite per day, oder die Produktionsmengen, die Kundenzufriedenheit, die Ergebnisse der klinischen Studien usw. usw.
Ein Bekannter von mir nutzt regelmäßig das Angebot der Vorsorgeuntersuchungen seines Arztes. Er lässt sich die Werte ausdrucken und vergleicht diese mit den Vorjahreswerten. Bei dieser Übung ist ihm aufgefallen, dass bestimmte Blutwerte zwar immer noch im „grünen Bereich“ lagen, aber stetig angestiegen sind. Er hatte daraufhin seinen Arzt angesprochen und diesem war die Veränderung überhaupt nicht aufgefallen. Letztendlich konnte so ein Krebs in einem sehr frühen Stadium erkannt und letztendlich eine schwere Krankheit vermieden werden.
‚Vorsorge ist meines Erachtens besser als Nachsorge, auch im Controlling.‘
Mit diesem Statement von Dir möchte ich heute den Blog MICE-Krisenmanagement meets schließen. Vielen Dank für den guten Einblick in das Thema Controlling.
Meine Lessons Learned für MICE-Krisenmanagement aus meinem Gespräch mit Barbara Zimmermann
- Controlling ist nicht nur ein Werkzeug für betriebswirtschaftliche Strukturen, sondern kann auch auf viele andere Bereiche angewandt werden.
- Frühwarnsysteme sind und bleiben essenziell im Controlling, aber auch im Krisenmanagement. Vorsorge ist immer besser als Nachsorge!
- Der Lösungsbaum ist ein großartiges Tool die Ursachen des Problems zu erkennen und die Auswirkungen zu analysieren. Zudem können gute neue Lösungswege gefunden werden und die Entscheidungsfindung vereinfacht werden. Im MICE-Krisenmanagement würde ich dieses Tool in der Vorbereitung anwenden. Hier gezielt die Risiken betrachten und dann anhand des Lösungsbaum Szenarien ausarbeiten. In der ‚Akuten Phase‘ einer Krise würde ich eher mit FORDEC arbeiten.
Kurz Biographie Barbara Zimmermann
Mein Name ist Barbara Zimmermann. Ich verfüge über 30 Jahre Berufserfahrung als Controllerin, Business Partnerin, Steuerexpertin, systemischer Coach und HR Trainerin.
Seit fast 20 Jahren bin ich Business Partnerin im Bereichscontrolling in einem DAX-30 Unternehmen. Meine Coaching- und Trainerexpertise helfen mir jeden Tag meine Aufgaben im internationalen Umfeld zu erfüllen. Mir macht es sehr viel Freude, mit Menschen zu kommunizieren, diese zu unterstützen, eben die Psychologie mit der „Zahlenwelt“ zu kombinieren.
Auch privat setze ich mir ehrgeizige Ziele als mehrfache Marathonläuferin lautet mein Motto „der Beweis für das Können ist das Tun“.